Familie Sale erobert die Welt

1. Platz Open Wort-Café Bochum am 02.02.2012 – Carsten (CeKaDo) Koch

Familie Sale erobert die Welt

Niemand außer mir scheint es bemerkt zu haben. Seit einiger Zeit wird unsere Wirtschaft von der Familie Sale unterwandert. Ein großes, dunkles Geheimnis wabert über diesem Namen. Denn niemand scheint die Gefahr ernst zu nehmen, die nur ich erkenne. Offenbar über Nacht tauchten erst in den Bekleidungsgeschäften der großen Handelsketten fast schüchtern erste Hinweise auf den späteren Eroberungsschlag auf. Ausgerechnet mitten im Sommerschlussverkauf übernahm der Familienclan zunächst die einschlägigen Modegeschäfte. Niemand außer mir achtete darauf, als an den ersten Kleiderständern neben den üblichen Prozentzeichen ein kleines rotes Schild mit der Aufschrift “Sale” aufgestellt wurde.

Warum diese groß angelegte Übernahme aller Innenstadtgeschäfte unserer Stadt so harmlos und vorsichtig begann, werden wohl nur die Werbestrategen der Sale-Familie wissen. Wer ist Sale? Wo kommen sie her? Und warum zum Teufel bemerkt niemand, was da gerade mit uns passiert. Ich habe über einen langen Zeitraum intensive Recherchen unternommen, um dieser nahezu unheimlichen Übernahme aller Geschäfte in Deutschland auf den Grund zu kommen. Einzig die Dönerbuden an jeder zweiten Ecke dieses Landes sind von der Besitzerergreifung durch die Sale-Familie noch ausgenommen. Noch! Ich vermutete, dass meine Suche mich nach Italien führen würde. Hinein in das Land der Mafiosi und Bestechungen. Doch weit gefehlt, es kam viel schlimmer.

Mein erster Weg führte ins Internet. Tippen sie doch mal bei Google den Begriff “Sale” ein. Sie erleben binnen Sekundenbruchteilen den gesamten gemeinen Anschlag auf diese Welt durch die Familie Sale. Innerhalb von 0,23 Sekunden wirft Google 750 Millionen Suchergebnisse zu “Sale” aus. 750 Millionen offene Übernahmen weltweit. Filtern Sie mit Klick auf “Seiten auf Deutsch” alle ausländischen Übernahmen weg, dann bleiben allein für Deutschland 154 Millionen Sale-Eroberungen festgestellt. Da wir in unserem Land momentan knapp 81,8 Millionen Einwohner beherbergen, entsteht so die erschreckende Erkenntnis, dass die Sales inzwischen jeden Einwohner und jeden Gewerbebetrieb Deutschlands fest in ihren gierigen Händen halten. Und niemand scheint es zu bemerken. Oder wissen Sie sich etwa von den Sales ferngesteuert?

Meinen vorsichtigen Ermittlungen zur Folge gliedert sich der Sale-Clan in der Hauptsache durch die Gebrüder Sale. Haben sie anfangs, wie oben bereits erwähnt, nur vorsichtig den Namen “Sale” als Kennzeichnung an Kleiderständern angebracht, so sind inzwischen deutlich die Unterscheidungen der Territorien verschiedener Brüder Sale zu erkennen. Es begann damit, dass an den Schaufensterscheiben der übernommenen Geschäfte plötzlich neben den rotweißen Namensschildern “Sale” der Vorname des ältesten Bruders und Familienführers Total prangte. “Total Sale” wurde bekannt dafür, dass er ganze Läden räumen ließ und dafür Rabatte bis zu 70 Prozent versprach. Noch heute ist klar, wo Total Sale den Betrieb übernimmt, steht hinterher kein Regal mehr auf dem anderen. Inwieweit total auch für die erste deutsche „50 Prozent auf alles, außer Tiernahrung“ und die damit verbundene Insolvenz einer großen Heimwerkermarktkette verantwortlich ist, blieb bisher unerklärt.

Total setzt als Druckmittel, wenn eine Übernahme zwecks Räumung am Widerstand der Geschäftsinhaber scheitert, gern und häufig die Brüder “Winter Sale” und Summer Sale” ein. Diese beiden schlitzohrigen Gesellen schleichen sich als angebliche Geschäftsberater in die Betriebe ein und sorgen sozusagen von innen heraus für eine Auflösung durch Schleuderpreise. Oft bemerken die heimischen Kaufleute viel zu spät, dass “Total Sale” bereits das Ruder fest in der Hand hat und den Laden in den Ruin treibt. Das Ergebnis ist gewaltig: Fleece-Jacke = Sale, Top = Sale, Pumps = Sale, Kinderjacke = Sale, Nachthemd = Sale, Sale Mode und Sale Wohnaccessoires. Sale, Sale, überall. Wo man heute auch hinschaut, Sale hat die Geschäftswelt fest im Griff. Ging meine Liebste früher zu “Charme und Anmut” oder zu “Hager und Mager”, geht sie heute zu Sale. Allerdings weiß ich nie, ob es der Sale an der Ecke oder in der nächsten Stadt ist. Denn Sale ist überall.

Gestern ist mir ein erstes Zeichen des jüngsten Mitglieds des Sale-Clans begegnet und das hat mir Angst gemacht. Am Haushaltswarengeschäft gegenüber prangte im Schaufenster der dicke rote Aufkleber “Super Sale”. Darunter stand “Alles muss raus!” Super Sale ist der Endschlag gegen die Wirtschaft in diesem Lande. “Alles muss raus”. Mir ist klar, was die Sales wollen. Sie wollen das Land für sich allein.

Verzweifelt habe ich mich an unsere Zeitung gewandt. Ich erklärte ihnen, wie es um die Sales steht und was uns allen droht, wenn diese Familie ihr grauenhaftes Treiben weiterhin ungeschoren fortführen kann. Der Redakteur hatte mich erst ernst angehört und dann ausgelacht. Er meinte, ich wäre da einem großen Irrtum aufgesessen. “Sale” würde “ße-il” gesprochen und bedeute das englische Wort für “Verkauf”. Alles wäre ganz harmlos und erklärbar. Aber warum sollte ein Verkäufer etwas in englischer Sprache verkaufen wollen, was sich vorher schon gut auch in Deutsch verkaufte? Ein seltsames Rätsel ist das. Betrübt trottete ich also vorhin heimwärts, noch ganz in Gedanken. Plötzlich traf mich die Erkenntnis wie ein Blitz, als ich die Zeitung aus dem Briefkasten am Straßenrand holte. Auf der Titelseite prangt eine großformatige Anzeige mit dem Hinweis auf “Sale” im Innenteil. Ich wusste es, auch die Zeitungsleute sind schon infiltriert.

Während ich noch von den Mülltonnen zum Hauseingang unseres Wohnblocks Richtung Haustür wankte, blieb ich beim Anblick eines Schildes wie geschlagen stehen. “Super Sale” stand da über einem Schriftzug im Fenster der leeren Erdgeschoßwohnung. Darunter ein “Zu verkaufen” und eine Makleradresse. Vor unserer Haustür. Super Sale hat zugeschlagen. Alles muss raus! Alle müssen raus! Ich muss raus!

Der Autor

Sofalesung


Was soll man über sich schreiben, das andere Menschen interessiert?

Nun ja, ich wurde 1959 in Hannover geboren und lebe jetzt in einem wunderbaren Stadtteil Sprockhövels. Das ist im Bermuda-Dreieck zwischen Hagen, Bochum und Wuppertal.

Lesen war schon immer meine Leidenschaft und das Schreiben war nur deshalb mühsam, weil meine Gedanken schneller davon liefen, als die Hand mit der Niederschrift hinterher kam. Das änderte sich, als die Computer mit ihren leichtgängigen Tastaturen Deutschland eroberten.

Dennoch war es schwierig, die ganzen Erfahrungen und Geschichten, die sich in meinem Kopf die Türklinke in die Hand gaben, in wohlfeile und vor allen Dinge lesbare Worte und Sätze zu verpacken. Mein Anspruch war sehr hoch und daran scheiterte ich. Bis ich 1999 an einem thematisch völlig anderem Seminar teilnahm und dort gab es eine Initialzündung für das Schreiben von Metaphern. Seitdem läuft es, kann ich heute sagen.

Schrieb ich anfangs noch therapeutisch allein für mich, stellte ich mich später der Öffentlichkeit und schreibe heute nur noch für die Präsentation des Verfassten. Mir macht inzwischen das Vorlesen live und vor Ort mehr Spaß als das Veröffentlichen.



Die Themen haben sich ebenfalls verändert und so blicke ich inzwischen auf weit mehr als 150 Kurzgeschichten und Gedichte zurück, von denen viele noch nie gelesen wurden, geschweige denn das Licht der Öffentlichkeit in einem Buch erblickt haben.

Alle Blumen wollen leben

Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich nicht vom Schreiben leben muss und mich Einnahmen durch Buchverkäufe und Ranglisten nicht interessieren. Ich erfreue mich vielmehr daran, wenn jemand ein Buch erworben hat, um sich oder andere damit zu beglücken. Den Verkaufspreis habe ich derart festgelegt, dass kein Gewinn entsteht. Und ich habe riesigen Spaß daran, dass Menschen mir zuhören und über die Geschichten lachen oder nachdenken.

Weihnachtslesung

Hauptberuflich bin ich als Begleiter für Menschen in schwierigen Lebenslagen tätig. Ehrenamtlich engagiere ich mich für die Musik und meinen Stadtteil. Ich bin sehr zufrieden verheiratet und natürlich schon Großvater. Aber das ist eine andere Geschichte.

Was mir wichtig ist, schreibe ich auf und spreche öffentlich darüber. Ob als kleinen Beitrag bei facebook oder als Geschichte gegen Rassismus, Terrorismus oder Ungerechtigkeiten des Alltag, ich lasse es heraus. Ich bin der ganz klaren Meinung, dass wir Autoren lauter gegen rechtes Gedankengut schreiben und vorlesen müssen, damit der Lärm der (un)rechten Parolen weniger gehört wird.



Sprecher
Foto: Just You

Um es mit John Lennon zu sagen: “Give peace a chance!”